Begleitung 14. Prozesstag, 28. Juni 2013, Strafkammer 21, Schwurgericht 1, Saal 218


Fortsetzung mit den beiden Hauptgutachtern Prof. Schneider und Prof. Eyrich

Fragen an die Gutachter:

Richterin stellt Fragen an Herr Eyrich: Herr E. habe den Sachverhalt an einigen Punkten anders geschildert als er in der Verhandlungen diskutiert worden sei. Deshalb habe die R. Zu einigen Aussagen von Herr E. Noch Nachfragen:

1. R: Er habe in seinem Gutachten geschrieben, in der 1. Phase sei Laye Condé medizinisch überwacht worden, mit Sauerstoffgerät, Zugang gelegt für Infusion und EKG. Die Richterin sagt, es habe jedoch ihrer Meinung nach kein EKG in der ersten Phase gegeben.

Staatsanwalt fällt ihr ins Wort. Es habe ein multifunktionales Gerät gegeben, wo es auch einen EKG gegeben habe. Das sei doch klar, der Puls sei ja gemessen worden.
Nach einem kurzen Blick ins Protokoll stellt sich heraus, dass der Puls extra am Finger gemessen wurde und es keine EKG Überwachung in der ersten Phase gegeben habe.

2. R: Herr E. habe geschrieben, dass in der ersten Phase die Lage von Herr C. Mehrfach gewechselt worden sein müsse. Dies ergebe sich jedoch nicht aus den Schilderungen. Erst nach Eintreffen des Notarztes sei Herr C. hingelegt worden und sei dann nach Stabilisierung seines Zustandes wieder hingesetzt worden.

3. R: zur Bewusstseinslage:
Herr E. Habe den Vorgang so geschildert, dass Herr V. Nach einer Stunde eine Pause gemacht habe, dass sich der Zustand gebessert habe und dann plötzlich der O2 Wert abgesunken sei.
Das möchte die R. korrigieren. Herr V. habe keine Pause gemacht, sondern die Pause sei die Folge des Abfalls des O2 Wertes gewesen. Und Herr E. habe geschrieben, der O2 Wert sei nach Austausch des Gerätes sofort wieder normal gewesen. Das sei jedoch falsch. Die Sanitäter hätten geschildert, dass das neue Gerät erst einen Wert von 89 angezeigt hätte und erst dann wieder einen normalen Wert.

Fragen von Nebenklage:
1. Herr E. Habe in seinem Gutachten geschrieben „und er wurde kontinuierlich ansprechbarer“.
Diese Wertung sei nicht vornehmbar und von außen nicht zu beurteilen.
Der Staatsanwalt und der Verteidiger äußern sich, dass die Aussage zudem darauf beruhe, dass es Herrn C. vorher schlecht gegangen sein müsse und das sei nicht nachzuweisen.

Fragen der Richterin:

4. Herr E. habe geschrieben, Herr C. Habe mit geschlossenen Augen dagelegen und an beiden Armen seien Infusionen gelegt worden sein. Das treffe so nicht zu, der eine Einstich sei von der Ringerlösung, die erst die Sanitäter gelegt hätten.

5. Herr E. Habe geschrieben um 2.35 Uhr sei es Herrn C. Plötzlich schlecht gegangen. Dieser Zeitpunkt sei so nicht aus den Akten hervorgegangen. Nach kurzer Diskussion mit dem Verteidiger, zieht die Richterin ihren Einwand zurück.

Die Richterin fragt, ob sich nach diesen Korrekturen und Anmerkungen Veränderungen in der Gesamtbewertung der Situation durch Herrn E. ergeben.
Dieser verneint, die kleinen Ungenauigkeiten hätten keinen Einfluss auf seine Gesamtbeurteilung.

Herr E sagt, es könne nicht festgestellt werden, wann Fremdsubstanzen in die Aviolen gelangt seien. An dem Geschehen seien Aspiration und Reflexgeschehen beteiligt. Da würden sich sein Gutachten und das von Herrn Schneider decken.Welches der beiden Faktoren wahrscheinlicher sei, da könne man fast „Zettel ziehen“.

Frage der Richterin: fragt ob es in der ersten Phase eine Aspiration gegeben habe und ob das zu erkennen gewesen sein müsse.

Herr E erklärt, dass es keine Aspiration in der ersten Phase gegeben haben müsse aber man das nicht sagen könne. Es könne auch eine spontane Bildung eines Ödems gegeben haben und keine Aspiration. Jeder Reiz auf die Aviolen könne zur Bildung eines Ödems führen.

Es könne also auch erst später eine Aspiration stattgefunden haben, als Wassermengen von Magen hochkamen. Aus den Röntgenaufnahmen könne man nicht feststellen, wann das Ödem entstanden sei.

Es sei zu einer Überflutung der Aviolen gekommen… (?)

Aber seiner Meinung nach, sei auch schon in der ersten Phase wenig Material aspiriert worden und es habe eine Änderung der Funktion bereits in der ersten Phase gegeben. Ödembildung.

Frage der R.:
Wenn es so eine Funktionsstörung in den Aviolen schon in der ersten Phase gegeben habe, was wären dann die äußeren Zeichen? In seinem Gutachten benenne er eine Vertiefung der Atmung, was das sei.

Herr E sagt, das sei eine Veränderung der Atmung, wie beim Treppensteigen, das man bei vermehrter Anstrengung tiefer Luft hole. Nach außen hin sehe man nur die Atmung, was jedoch in den Aviolen passiere, das könne man äußerlich nicht sehen, sondern nur an einer Blutuntersuchung, weil das Blut sich verfärbe, wenn es weniger Sauerstoff bekomme.

Verteidiger sagt, dass wenn jemand in Luftnot sei, man nach Luft ringe und das habe niemand im Bezug auf Herr C geschildert. Vielmehr sei von einer flachen Atmung geredet worden.

Staatsanwalt bemerkt, dass es auch bei flacher Atmung – ähnlich wie bei einem 3 Meter langen Schnorchel – so sein könne, das der Sauerstoff nicht mehr in der Lunge ankomme. Es hänge vom Zustand ab, ob nach Luft gerungen werde oder normal eingeatmet werde aber der Atem nicht mehr ausreichend ankomme.

Verteidiger sagt, von auffälligem Atmen oder flachen Atmen sei ja erst am Ende der Maßnahme gesprochen worden, deshalb habe es kein auffälliges Atmen gegeben.

Die Nebenklage sagt, dass dies nicht verwunderlich sei, weil nur die Sanitäter überhaupt was zum Atem gesagt hätten und die im ersten Teil noch nicht anwesend gewesen seien.

Staatsanwalt sagt dazu, die Sanitäter hätten nichts über den Umfang des Atems ausgesagt.

Herr E. Erläutert nochmal, dass wenn Fremdsubstanzen in die Lunge kommen würden, dies unbemerkt bleiben könne. Stille Aspiration sei z.B. bei Narkosepatienten häufiger als man denke.

Der Verteidiger springt ein und will wissen, ob er das schon selber gesehen habe. Das bejaht er, natürlich, bei verschiedenen Zuständen habe er das beobachtet, beim Einschlafen, im Tiefschlaf, beim Aufwachen. Der Verteidiger betont, daber das seien ja alles Leute gewesen, die narkotisiert gewesen seien. Herr E verneint dies.
„Das könnten auch sie gewesen sein“.

Aber wenn der Magen richtig voll gewesen sei, dann könne er auch auf das Zwerchfell drücken und dann schaffe das Herz nicht mehr richtig zu arbeiten.

Kleiner Diskurs über den Muskeltonus, ob er schlaff war und wenn ja, wann.

Herr E. sagt nochmal, dass die Anwesenden über den Bewusstseinszustand unterschiedliche Aussagen gemacht hätten, worauf die Richterin ihn darauf hinweist, dass nur der Arzt und die Polizisten Aussagen darüber machen könnten und diese sich nicht widersprochen hätten.

Herr E sagt nochmal, man könne im Nachhinein wenig sagen, es könne eine Aspiration in der ersten Phase stattgefunden haben, aber vom Ergebnis könne man nicht zurückschließen, wann die Aspiration stattgefunden habe.
Sicher sei, dass es eine Funktionsveränderung der Lunge gegeben habe, wie ein Ödem, aber ob diese Funktionsveränderung bestehen blieb oder sich veränderte könne man nicht sagen.

Staatsanwalt sagt, dass aber keine Ursachen sicher festgestellt werden könnten, die das Ödem ausgelöst haben könnten, sicher sei nur, dass am Ende Wasser in der Lunge gewesen sei.
Herr E sagt daraufhin, dass es hier nur um Wahrscheinlichkeiten gehe.

Der St. fragt weiter, ob auch psychogener Stress so ein Ödem auslösen könne? Herr E sagt, das könne er natürlich nicht ausschließen.

Richterin fasst zusammen, dass beide Gutachter letztlich von einem multifaktoriellen Geschehen ausgingen.

Herr Schneider betont tausend mal, dass er nicht verstehe, wie man in der ersten Phase von einer Aspiration ausgehen könne, obwohl es keinen Husten gegeben habe. Das den Husten niemand gehört habe, könne er sich nicht vorstellen. Das leuchte ihm nicht ein. Man müsse sich mit dem psychogenen Tod auseinandersetzen zusammen mit dem autonomen Konflikt.

Es habe vielmehr angefangen mit der Bradykardie, eine Folge könnte eine Antriebslosigkeit gewesen sein. Die Bradykardie könne durch das Valsalva ausgelöst worden sein.

Und das Pressen und Drücken im Rahmen des Filterns habe enorme Bedeutung. Er habe das Gefühl, das werde „hier im Raum nicht gesehen“. Das sei wichtig und zusammen mit dem autonomen Konflikt zu sehen.
„Mit Aspiration in der ersten Phase kann ich mich nicht anfreunden“.

Verteidiger: als Laie könne er nur sagen, dass wenn sich wirklich verschluckt habe, das zu Schwallartigen Heraushusten käme, das sei aber bei Herrn C nur einmal beschrieben worden. Und bei Herr C „reden wir ja nicht von einmal verschluckt, sondern von sehr viel mehr“.
Das hätte zu einer körperlichen Reaktion führen müssen, zum zusammen zucken am ganzen Körper. Das könne er sich nicht vorstellen, das sowas nicht stattfinde.

Herr E sagt nochmal, dass in der ersten Phase keine Aspiration stattgefunden haben müsse. Es habe vor allem eine Veränderung im O2 Austausch gegeben. Es könne eine Hypoxie ansetzen bevor es zur Aspiration komme.

Herr Schneider sagt nochmal, er könne nicht ausschließen, dass es in der ersten Phase zur Bildung des Ödems gekommen und zur Kollabierung der Aviolen, aber er störe sich daran, dass Herr C in der ersten Phase aspiriert haben solle und niemand das gemerkt habe.

Die Richterin fragt Herrn Schneider, er habe ja auch den Todesfall nach Brechmitteleinsatz in Hamburg begutachtet. Sie verwies auf einen Artikel in der Zeitschrift Kriminalistik. Darin gehe es darum, dass der Stress bei Verhaftung zum Tode geführt habe. R. fragt, was der Unterschied zwischen Bremen und Hamburg sei.

Herr Schneider bemerkt, dass ihm der Chemiker (?), der den Befund des Herzens im Hamburger Fall ausgewertet habe in einer Kaffeepause gesagt habe, die Befunde des Herzens von Herrn C und dem Fall in Hamburg seien fast identisch.

Möglicherweise sei das etwas, was bei „Schwarzafrikanern“ häufiger passiere. Man wisse ja, das Sch.-A. Stärker auf Stress reagieren würden, als Leute, die hier aufgewachsen seien. Das sei wissenschaftlich bekannt und in mehreren Artikeln beschrieben. Das sei allgemein bekannt und verweist auf Artikel von Herrn Püschel.

Verweist auch nochmal auf psychogenen Tod und bemerkt, es sei eben ein multifaktorielles Geschehen und wieder betont er, stille Aspiration sei in seinen Augen nicht möglich.

Nebenklage sagt kurz was zu dem Begriff multifaktoriell, das hieße ja das viele, also mehr als zwei Faktoren beteiligt seien.
Staatsanwaltschaft und Verteidiger fallen ihr ins Wort, ‚multi‘ könne auch zwei Faktoren bedeuten.

Nebenklage fragt, ob auch ständiges Erbrechen der Reiz gewesen sein könne, der das Reflexgeschehen ausgelöst und damit zur Bradikardie geführt habe.

Herr Schneider antwortet ausführlich, dass wenn man einen Magen mit soviel Wasser fülle, der Magen sich ausdehne und die Nervenrezeptoren an der Magenwand gereizt werden. Diese würden sich daraufhin zusammen ziehen und zum Erbrechen führen, das dann auch wieder eingeatmet werden könne. So dass dann Material in der Lunge nachweisbar sei.

Allein die Überdehnung des Magens könne zu Erbrechen führen und auch einen neurogenen Reiz bilden. Das könne sein.

Es könne auch die mechanische Reizung beim Legen der Sonde so einen Reiz bilden. Allein diese Dinge seien Reize, die zu einer Bradikardie führen könnten. Das wolle er mit multifaktoriell sagen, es brauche keine Aspiration gegeben haben.

Er betont auch nochmal, dass alleine ein verändertes Herz nicht die Todesursache gewesen sein könne aber alles zusammen könne relevant werden.
„An dem Herzbefund kommt man nicht vorbei“.

Nochmal die Frage an Herr E., wann es zur Aspiration gekommen sei. Er sagt, „Wir tappen im Dunkeln“. Man wisse nicht, wann was geschehen sei. Ob und wann der Inhalt des Magens auf das Zwerchfell gedrückt habe und damit eine Bradikardie ausgelöst habe.

Nebenklage fragt, nachdem Maßnahme beendet wurde habe Herr C einige Minuten auf dem Stuhl gesessen, bis sein Zustand sich plötzlich verschlechtert habe und die Reanimation begonnen worden wäre.
Was könne in dieser Zeit ein Auslöser für das Reflexgeschehen gewesen sein? Die Ausdehnung des Magens?

Herr Schneider sagt, der Stress habe ja angedauert, die Erschöpfung auch. „Er war umgeben von Personen, die aus seiner Sicht was anhaben wollten“.
„Machen wir uns nichts vor, von einem multifaktoriellen Geschehen spricht man, wenn man es eigentlich nicht weiß“.
„Wir drehen uns im Kreis“.

Staatsanwalt will wissen, wieviel Wasser bei einer Person mit der Statur von Herrn C nötig seien, um so eine Überdehnnung der Magenwand zu provozieren.
Bei Ertrinkungslaichen gebe es häufig 2 L oder mehr im Magen, da könne man auch Risse in der Magenschleimhaut beobachten. Das habe es bei Herrn C nicht gegeben. Man könne nicht mehr schätzen, wieviel Wasser im Magen von Herrn C gewesen sei.

Herr E. sagt, dass man das schon schätzen könne, wenn während dem Setzen der O2 Maske massiv Wasser aus Nase und Mund strömt. Dann könne man von 2 oder 2,5 L ausgehen.

Verteidiger fragt rhethorisch: Nach Beendigung der Maßnahme musste Herr C ja mit U-Inhaftierung und aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen rechnen, ob das Stress auslösen könne?

Herr Schneider betont nochmal, dass „Schwarzafrikaner“ ja erheblich auf Stress reagieren sollen.

Die Richterin entlässt die Gutachter.

Sie fragt die Staatsanwaltschaft, wann sie Stellung bzw. eine Bewertung des Tathergangs vornimmt?
(laut Frau Maleika: und Stellung zur Einstellung bezieht)

Staatsanwaltschaft sagt, sie würden das eingehend prüfen, es sei ja auch eine harte Kost,die man verdauen müsse, sie könnten noch nicht sagen, wie lange sie bräuchten.

Nächster Termin ist Dienstag, 2.7 um 12.30Uhr. Dann werden die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten besprochen .

Verhandlungsdauer:

9.15 Uhr bis 10.45 Uhr

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