Begleitung 18. Prozesstag, 09.08.2013, Strafkammer 21, Schwurgericht 1, Raum 218

Heute verlas die Richterin 30 Minuten aus dem LG-Urteil vom 14.06.2011 zur Praxis der Brechmittelvergabe in Bremen von Anfang 1992 bis Ende 2004
Inhalt grob zusammengefasst:
1992: erste Richtlinie über Brechmittelvergabe veröffentlicht
ab 1.1.1995 dann eine Weisung der Staatsanwaltschaft Bremen: Exkorporation kann durchgeführt werden
Dienstanweisung von Birkholz (habe leider nicht genau mitbekommen, von wann – müsste aber von 1995 gewesen sein; Birkholz & Co waren von 1995-2004 als »private Unternehmung« als Beweissicherungsdienst durchgehend für die Polizei tätig), mit einem 10-Punkte-Plan, wie genau bei Brechmittelvergabe – sowohl freiwillig als auch zwangsweise – vorzugehen ist. Dabei interessant: gewaltsames Einbringen des Brechmittels in die Mundhöhle war untersagt, stattdessen muss Magensonde gelegt werden – allerdings nur wenn »die Gegenwehr nicht heftig ist«. Hinweise darauf, dass »Patienten« oft simulieren bzw. filtern würden. Und: »Der Arzt selbst übt keinerlei Zwang aus.« Zwangsweise Magenspiegelung als weitere Methode war ebenfalls untersagt. Qualitätsstandards festgelegt: Ausbildung zu lebensrettenden Maßnahmen müssen erfolgt sein.
LG-Urteil: Trotz der Dienstanweisung von Birkholz galt die Berufsordnung für Ärzte in Bremen. Die Bremer Ärztekammer hatte sich außerdem gegen die zwangsweise Brechmittelvergabe ausgesprochen und auch versucht, Birkholz zur Aufgabe zu bewegen. Auch unter Birkholz-Mitarbeitern sei es immer zu Diskussionen über die Verpflichtung zur zwangsweisen Vergabe gekommen. Anfang 1995 hat dann aber das OLG Bremen § 81a StPO für rechtmäßig erklärt und damit Brechmittelvergabe legitimiert.
Verfügung des Leitenden Staatsanwalts Frischmuth vom 03.05.1995: weitere Verregelung und Legitimierung der zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln. Polizeibeamte sollen »an Ort und Stelle entscheiden«. Falls es zeitlich möglich ist: Einwilligung der Staatsanwaltschaft – ansonsten ohne und der Polizeibeamte entscheidet auch hier. »Gewisse Bedenken« bezüglich der Gefährlichkeit, aber trotzdem medizinisch für ungefährlich erachtet.
Falls Ärzte sich ohne konkreten Grund weigern, kann dies als Strafvereitelung gewertet werden.
Fach-Symposium in Hamburg 2002: keine Infragestellung der Vomitivmittel-Vergabe. Todesfall von Achidi John am 09.12.2001 als »bedauerlicher Zwischenfall« gewertet, aber grundsätzlich alles okay. Erfahrung mit der Ankündigung in Berlin: Die Ansage, dass Brechmittel zukünftig nur noch freiwllig vergeben würden, habe zum völligen Zusammenbruch der polizeilichen Maßnahme geführt.
Zitierung des LG-Urteils endet mit dem EMGH-Urteil 2006.
Dann Frage der Richterin an Volz, ob er eine Ausbildung zu lebensrettenden Maßnahmen erhalten habe und ihm darüberhinaus die Dienstanweisung von Birkholz und die Verfügung von Frischmuth bekannt gewesen seien.
RA Joester war nicht da, sondern wurde vertreten von RA Temba Hoch (aus seiner Kanzlei). Dieser bittet um Pause, um das mit Volz zu besprechen. Danach Aussage Volz: Ja, er kannte die Dienstanweisung von Birkholz. Die Verfügung von Frischmuth war ihm auch bekannt, der Chef hatte ihm davon erzählt. Er könne nicht mehr sagen, wann, aber er habe irgendein Formular ausfüllen müssen.

Nächste Termine:
06.09.13 um 9.15 h (RAin Maleika im Urlaub, Vertretung: Christine Vollmer) , kurzer Termin
16.09.13 Vorladung und Anhörung von Henning Scherf
30.09.13 um 10.00 h Vorladung und Anhörung von Ex-Leitender Oberstaatsanwalt Frischmuth

Dauer: 45 Minuten

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